Vor gut einem Jahr startete Flattr und wurde mit einem Vortrag auf der re:publica 10 von Peter Sunde der Öffentlichkeit erstmals präsentiert. Damals schien das Modell revolutionär und obwohl es von vielen begrüßt wurde, gab es auch viele Zweifel, wie es sich entwickeln würde. Nicht alle Zweifel konnten seitdem ausgeräumt werden.
Gestern hat Peter auf der diesjährigen re:publica eine erste Bilanz gezogen und neue Schritte angekündigt. So kommt die Webseite jetzt nicht nur in englisch, sondern auch in deutsch, schwedisch und französisch daher und auch das von mir schon vor Monaten angedeutete Feature des Revenue Sharing, bei dem Webseitenbetrieber, die für Dritte Flattr-Buttons einblenden, einen Teil des normalerweise bei Flattr verbleidenden Anteils erhalten, wurde jetzt für Anfang Mai fest zugesagt.
Ambitioniert wirkt die Ankündigung, künftig Twitter-Accounts auch ganz ohne Flattr-Buttons flattrn zu können. Hier wird das Geld quasi pauschal schon mal reserviert und der Twitter-User muss sich die Kohle später „abholen“. Ich bin gespannt, wie es technisch genau funktioniert und wenn ja, wie es dann angenommen wird. Die Idee ist sicherlich nicht schlecht und soll vermutlich grundsätzlich auf beliebige URLs ausgedehnt werden. Damit könnte das aktuelle Henne-Ei-Problem zumindest in Bewegung geraten.
Aber die Dinge sind auch so schon in Bewegung: für mich persönlich hätte es mit Flattr kaum besser laufen können. Mit nur wenig Schwankungen sind meine Einnahmen von Monat zu Monat kontinuierlich gestiegen und haben sich zu recht beeindruckenden Zahlen summiert. Mittlerweile ist Flattr für mich nicht mehr nur ein Zuschuss sondern schon eine richtige Einnahmequelle. Im letzten Monat näherte sich das Monatseinkommen der 2000 EUR Marke:
(Da es hier immer wieder zu Mißverständnissen kommt: diese Einnahmen sind nicht für mein Blog, wie es häufiger zusammengefasst wurde (ich verstehe mich auch nicht als Blogger), sondern die Summe aller Flattr-Buttons, die alle meine Podcast-Produktionen umfassen – nicht nur, aber vor allem.)
Einen erstaunlich großen Anteil an den Einnahmen haben die Flattr-Buttons, die allgemein für ein Projekt stehen. Das unterstreicht, dass Flattr-Zahlungen vor allem den Charakter eines „weiter so“ haben und weniger als „Bezahlung“ für eine bestimmte Sendung verstehen sollte. Trotzdem tragen auch die Episoden selbst signifkant zum Gesamtergebnis bei. Es ist, im besten Sinne des Wortes, eine Mischkalkulation, aus der man so einiges interessantes herauslesen kann.
Flattr hat mir also binnen eines Jahres eine fünfstellige Euro-Summe als Einnahme beschert, die ich munter in Unterhalt und Ausbau meines Podcaststudios reinvestiert habe. Durch Social Micropayment kann ich mir also den Luxus eines eigenen Studios und der fortgesetzten Unabhängigkeit leisten. Für mich beantwortet das die regelmäßig wiederkehrende Frage, ob man „von so was Leben“ kann nachhaltig: man kann. Wir sind hier noch am Anfang, aber da sind wir schon mal.
Nun ist mir klar, dass das nun nicht bei jedem so funktioniert, aber es gibt sicherlich viele Gründe, warum es in meinem Fall funktionert hat. Flattr ist stark bei Projekten, die sich nicht primär durch eigene Bezahlsysteme, Sponsoring oder Werbung finanzieren und die eine starke Community haben. Verstärkend wirkt, wenn die Distanz zwischen Produzent und Empfänger gering und die Beziehung sehr persönlich ist. Dies gilt für mein Verständnis besonders für Podcasts, was schon mal erklärt, warum Podcasts bei Flattr generell gut dastehen: auch andere Podcast-Produktionen haben bei Flattr gut abgeschnitten, auch wenn ich da nur vereinzelt konkrete Zahlen gehört habe. Der Zuspruch lässt sich aber an den Klickzahlen halbwegs ablesen.
Ich kann nur hoffen, dass noch mehr Leute, die im Netz gute Inhalte anbieten, Flattr eine Chance geben und auch etwas Zeit und Energie investieren, ihrer Community die Vorzüge und Funktionsweise von Flattr zu erklären. Das Ausprobieren kostet nicht viel und der nötige Aufwand zur Integration in bestehende Blogs und Content Management Systeme ist gering. Man bricht sich da auch keinen Zacken aus der Krone und hat wenig zu verlieren.
Meinen bisherigen Analysen zu Flattr in diesem habe ich eigentlich wenig hinzuzufügen. Ich bin trotzdem ziemlich beeindruckt, mit welcher Beständigkeit und Dynamik sich Flattr bei mir von einem Experiment zu einer signifikanten Einnahmequelle entwickelt hat. Ich kann allerdings nicht sicher sagen, ob das auch so bleibt. Vielleicht laufen bestehende Subscriptions irgendwann aus und werden nicht erneuert. Vielleicht gehen die monatlichen Investitionen der Teilnehmer im Mittel zurück und mit ihnen die Resultate der Begünstigten. Aber vielleicht ist hier auch das Potential noch gar nicht genutzt und der aktuelle Trend hält noch länger an. Who knows.
Ich weiß auf jeden Fall, dass ich extrem dankbar über diese Entwicklung bin und ich mich nur nachdrücklich bei jedem einzelnen bedanken möchte, der zu diesem Zwischenergebnis beigetragen hat. Mich versetzt das nach langer Aufbauzeit in die Lage, als unabhängiger Radiomacher eigene Formate voranzutreiben, mit guter Technik zu arbeiten und nebenbei auch noch etwas Geld zurückzulegen für die schlechten Zeiten, die sicherlich auch irgendwann mal wieder dran sind. Das war bisher selten möglich.
Aber das allerbeste ist die Qualität der Motivation. Zu wissen, dass so viele Leute bereit sind über Mikrospenden Einzelkämpfer im Netz zu unterstützen, ist faszinierend und ohne zu pathetisch rüberkommen zu wollen: es ist schon erstaunlich, wie weit wir mit dem ganzen Webkrams in den letzten Jahren gekommen sind. Die Werkzeuge werden immer besser, die Kommunikation immer effektiver und spannender und der Kreativität werden täglich weniger Hemmnisse entgegengehalten.
Was das Radiomachen betrifft sind wir der Brecht’schen Radiotheorie wieder einen Schritt näher gekommen.
Which is good.
Nachtrag: Natürlich verteile ich auch Geld via Flattr. Ich habe mir unlängst eine 1-Euro-per-Click-Rule zugelegt und passe mein Ausgabenbudget entsprechend an. Zuletzt lag es bei 80 EUR im Monat. Es ist abzusehen, dass ich bald an das Flattr-Limit von 100 EUR stossen werde.
Darüber hinaus nutze ich stellenweise auch die Möglichkeit zu direkten Spenden via Flattr. Meine Einnahmen durch Spenden sind übrigens gering und den oben genannten Zahlen nicht enthalten. Sie betrugen 39,80/5/22 EUR in den drei Monaten seit es diese Möglichkeit auf Flattr gibt (also insgesamt 66,80 EUR).