Die taz hat die Datenposse der BVG – sie untersagt dem Unternehmen Metaquark bzw. dem Programmautor Jonas Witt die Nutzung des Streckenplans in der großartigen iPhone-Applikation Fahr-Info Berlin – in einem Artikel schön zusammengefasst. Aus Gründen des „Copyrights“ könnte ein Streckenplan nicht in der Anwendung verwendet werden. Gute Nacht.
Nun ist es nicht so, dass der Streckenplan selbst in der Applikation besonders wichtig wäre. Die eigentliche Genialität der Anwendung steckt in der sinnvollen Nutzung des iPhones und seiner Features – allen voran der Möglichkeit zur automatischen Ortung, was das Programm zur Vorauswahl von Haltestellen nutzt (auch wenn leider die Bushaltestellen darüber noch nicht ermittelbar zu sein scheinen).
Was aber voll abnervt ist die dahinter stehende vollkommen bekloppte Grundhaltung der BVG und ihr augenscheinliches Unverständnis des Internets, dass mich als Berlin-Einwohner schon seit Jahren nervt. Die Website der BVG ist ein Grauen (daran hat auch der „Relaunch“ vor einem Jahr wenig geändert). Anstatt der für 99,9999% der Anwender wirkliche wichtige Informationen (nämlich den Fahrplan) in den Mittelpunkt zu stellen, nervt man mit langweiligen Unternehmnesnachrichten und schwer zu recherchierenden Informationen.
Einfaches und nützliches gibt es nicht:
- eine Kopie jedes Abfahrtzetttels wie er an der Haltestelle hängt als PDF? Wozu sollte man mit Sachen anbieten, die jeder kennt und mit denen jeder klarkommt?
- die Möglichkeit, sich einen Account zu machen und seine meist genutzten Haltestellen zu hinterlegen? Viel zu kompliziert!
- die Fahrplandaten in einem maschinenlesbaren Format anbieten, so dass auch andere Anbieter, diese Informationen in ihren Informationssystemen unterbringen könnten? Wahrscheinlich eine „rechtliche Grauzone“…
Ich könnte diese Liste ewig weiterführen, zu oft habe ich mich schon geärgert. Der Knaller war, als ich mal nach einem PDF gefragt habe, in dem ALLE Linien – einschliesslich der Buslinien – verzeichnet sind (es gibt nur das Schnellbahnnetz, Schnellbahnnetz mit Regiolinien und das Tramnetz separat). Antwort: das wären zu viele Informationen, die würde der Anwender nicht mehr auseinanderhalten können, so viel kriegt man da nicht unter. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. So viel Dummheit.
Aber es ist kein typisches BVG-Problem, es erscheint mir urdeutsch zu sein. Auch andere Unternehmen lassen uns ähnlich leiden: ob es die Bahn ist, die wie die BVG von den mittelständisch-mittelmässigen Lösungen von HaCon zehrt. Oder die Kinobetreiber, die es auch im Jahr 2008 nicht schaffen, ihr Kinoprogramm einfach mal regelmäßig in einem maschinenlesbaren Format zu veröffentlichen und damit die Möglichkeit eröffnen würden, ein wirklich nutzbares Online-Kinoprogramm zu schaffen. Es ist ein einziges Versagen und es ist so frustrierend. Ich schäme mich sogar ein wenig für den Standort.
Ich bin mir nicht sicher, was der Grund für das alles ist, aber ich glaube, es ist einfach nur Angst. Angst, Fehler zu machen. Angst, Verantwortlich zu sein. Angst vor der Angst. Jede typische Behörde besticht immer wieder durch Mitarbeiter, die anderen die Kooperation versagen, weil sie ja unter Umständen für irgendwas die Schuld zugeschoben bekommen könnten. Und das macht auch vor „IT“-Abteilungen von Universitäten und Unternehmen nicht Halt. Haftplichtmentalität überall. Zum Kotzen.
Was die BVG und das iPhone betrifft, rate ich zur Ignoranz. Ihre Ankündigung, selber Anwendungen „nicht nur für das iPhone“ herauszubringen, juckt mich nicht. Das voraussichtliche Ergebnis kann man sich jetzt schon in ihrem „Mobilangebot“ anschauen: Fleisch gewordenene Mediokrität, der kleinste gemeinsame Nenner.
Was die BVG eigentlich machen sollte: den Jonas Witt anrufen, ihm eine Jahresfreikarte für die BVG zuschicken, die GPS-Koordinaten aller Bus-Haltestellen bereitstellen und die Vektordaten aller Karten. Dazu über ein kostenloses Abkommen verhandeln, wie die Applikation nicht nur stets aktuelle Fahrplaninformationen abrufen kann sondern auch noch die Standort-Informationen der tatsächlich in Fahrt befindlichen Busse und Züge obendrauf – die ja schließlich auch an allen Haltestellen zur Auswertung kommen. Das wäre mutig und das Ergebnis wäre eine so atemraubend geile Anwendung für das iPhone, dass BVG-Fahren wieder richtig Spass machen würde.
Aber das wird natürlich nicht stattfinden. Man bedenke nur die Risiken! Es könnte ja was passieren!
Was das Kartenproblem betrifft: ich denke, Jonas sollte sich bei OpenStreetMap bedienen, die scheinen korrekte Daten der BVG-Haltestellen bieten zu können.
Update: BVG respektive VBB lenken ein. Interessant in diesem Zusammenhang finde ich den Hinweis, dass das Mobilangebot kaum genutzt wurde, dann aber durch die Integration in die iPhone-Applikationen sich die Zugriffe verhundertfachten. Überraschen tut mich das wenig: das Mobilangebot war zwar deutlich vereinfachtes HTML und daher schneller ladbar. Aber rein aus ergonischem Gesichtspunkten im Vergleich zur „normalen“ Online-Version keine Verbesserung geschweige denn irgendwie für intensive, regelmäßige Nutzung optimiert.
Ich gratuliere dem Jonas zu dem Erfolg und dem VBB zum Sinneswandel. Offene Schnittstellen und geteilte Daten sind für den Öffentlichen Nahverkehr eine Chance, die es zu nutzen gilt. Der Nahverkehr muss attrativer werden und nichts ist sinnvoller, als das reale Angebot dem potentiellen Nutzer so nah wie möglich zu bringen. Wie schon oben erwähnt wäre eine Realtime-Anbindung äußerst wünschenswert. Ich hoffe, das die übernächste Version der Software schon damit aufwarten kann.