Aktuell: Wahlcomputer sind OUT

Wenn man der einschlägigen Fachpresse schon keinen Glauben schenkt müssen Frauenmagazine den Weg weisen. Der „woman-Trendscout“ im Heft vom 31. Oktober 2006 stellt präzise fest, dass neben Sprühgeschmack aus der Dose, Sabine Kuegler, Nicole Richie und Paris Hilton vor allem eins OUT sind: Wahlcomputer.

Weg damit: Wahlcomputer.

Der Chaos Computer Club warnt: Die neuen Wahlcomputer sind unsicher. Manipulationen möglich. Amerikanische Verhältnisse.

Da wird man ja neidisch. Das wär ja was, wenn wir unsere Pressemitteilungen mal so kurz und knackig hinkriegen würden. Gratulation zur geradlinigen Einsicht.

Wahleinspruch in Cottbus

Gegen die OB-Wahl in Cottbus wurde wg. der potentiellen Manipulationsfähigkeit der eingesetzten Wahlcomputer Einspruch erhoben. Die Sitzung, die sich damit beschäftigen wird ist voraussichtlich am 20. November um 17 Uhr im Stadthaus Cottbus.

Update: Es gibt noch eine zweite Sitzung am 23. November, ebenfalls um 17 Uhr im Sitzungssaal des Stadthauses Cottbus und dort wird laut Ankündigung konkret über den Widerspruch von Thomas Langen, der sich auf die Wahlcomputer bezieht, entschieden.

Angela Merkel kündigt umfangreichen Überwachungsstaat an

Die Frau Kanzlerin verteidigt in ihrem neuesten Video-Podcast zur Inneren Sicherheit das 1984-Programm ihres Innenministers und bereitet ihr Volk schon mal auf die schöne neue Welt vor: „Videoüberwachung von Plätzen“ wäre doch schon mal ne tolle Sache um „einzugreifen“, aber „Videoüberwachung alleine reicht nicht“. Sie beschwört die angebliche Bedrohung des „Internationalen Terrorismus“ und meint, man „müsse völlig neue Wege gehen“: Die Anti-Terror-Datei wäre doch schon mal ein Schritt nach vorne.

Richtig geil: Die Investition von 120 Millionen Euro soll dazu führen, dass „Sprengstoffanschläge vorzeitig aufgeklärt werden können“. Präemptive Aufklärung oder was? Klingt so ein bisschen nach Irak-Krieg und „Minority Report„. Auf jeden Fall weltfremd und bedrohlich.

Als wäre das noch nicht genug, kündigt sie auch die Nutzung der Daten der LKW-Maut zur Strafverfolgung an. Na hurra. Nicht, dass wir schon vor Jahren davor gewarnt hätten, dass genau das passiert, auch wenn natürlich genau das von Anfang an dementiert wurde.

Ich persönlich bin ja schon ein wenig verzweifelt, weil es den meisten Leuten scheinbar nicht in die Birne zu kriegen ist, dass totale Videoüberwachung zwar eine totale Überwachung bringt, aber letztlich an der Sicherheitssituation wenig ändern wird. Technisch sind wir nicht mehr sehr weit entfernt von automatischen Erkennungssystemen, die in den von modernen, hochauflösenden Kameras gelieferten Datenströmen ohne Probleme in Echtzeit einzelne Personen nahezu fehlerfrei herausfinden werden. Ab dem Moment, wo kein Personal mehr zur Überwachung benötigt wird, ist dem Missbrauch auf allen Ebenen Tür und Tor geöffnet und wenn man sich das Geschwurbel von unserer ahnungslosen Kanzlerin anhört verlässt mich jegliche Hoffnung, dass die Politik diesem Treiben auch nur irgendeine Grenze setzen wird.

Das Wort „Freiheit“ ist in der Ansprache von Frau Merkel im übrigen nicht einmal zu hören. Aber „Freiheit“ scheint ja wohl keine besondere Bedeutung zu haben. Das Grundgesetz enthält übrigens das Wort „Freiheit“ 22 Mal. Das Wort „Sicherheit“ kommt im Kern nur einmal vor: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.“. Vielleicht sollte sich unsere Kanzlerin das Dokument noch mal genau durchlesen.

Zum Abreagien empfehle ich an dieser Stelle noch mal auf die beiden großartigen Politiker-Remixe von „Bundestag United“: Sicherheitswahn und Kontrolle muss sein, die ich unlängst auf Chaos TV gepostet habe. Ich habe übrigens keine Ahnung, wer hinter dem Projekt „Bundestag United“ steckt. Falls jemand Erkenntnisse dazu hat möge er/sie sich doch mal bei mir melden. Ich wüsste gerne mal, unter welcher Lizenz das Material steht.

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PTB räumt ein: Wahlcomputer sind nicht sicher

Die c’t hat sich mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt unterhalten und im Interview gibt der zuständige Direktor Dieter Richter zu: Wahlcomputer sind nicht sicher und stellt auch fest: „“Es gibt bei diesem Konzept keinen absoluten Schutz gegen Insider-Angriffe“.

Ich applaudiere der PTB zu der Erkenntnis. Alles andere wäre auch gelogen gewesen. Mit diesem Eingeständnis dürfte die Sache nun klar sein und der Bundestag ist hiermit aufgefordert die Konsequenzen zu ziehen: Weg damit. Mindestens 31.000 Leute teilen öffentlich diese Auffassung.

Update: Zwei weitere Meldungen zu dem Fall gibt es bei IT News World und Yahoo Nachrichten. Wie der Herr Richter auf die Idee kommt, der CCC sei nicht kooperationsbereit, ist total unklar. Ein offizielles Kooperationsangebot ist bei uns noch nicht aufgeschlagen.

Update 2: Das ganze Interview mit Dieter Richter ist jetzt online: Eine neue Situation. Dazu noch eine weitere Meldung beim Heise Newsticker: E-Voting und elektronische Wahlmaschinen: zurück auf Los?

Erfahrungen eines Wahlhelfers

be berichtet von ihren Erfahrungen als Wahlhelfer in einem Wahllokal, wo noch mit normalen Papierstimmzetteln gewählt wurde und erläutert welche Manipulationsmöglichkeiten sie für möglich hält (um es vorwegzunehmen: kaum welche). Sehr aufschlussreich.

Ähnliche Berichte gab es im Chaosradio 117 zum Thema Wahlcomputer zu hören. Dort gab es drei Anrufer von Wahlhelfern: zwei mit Papierwahl, einer mit Wahlcomputern. Ebenfalls sehr aufschlussreich: die ersten beiden schlossen jede Betrugsmöglichkeit aus, der Wahlhelfer mit dem Computer konnte außer seinem guten Glauben keine Versicherungen erteilen. Wer reinhören will: die Zeiten sind in der dazugehörigen Timeline festgehalten.

Fortschritte: 30.000

Die Anti-Wahlcomputer-Petition reißt die 30.000er-Hürde. Schöne Sache das. Die Visualisierung zeigt, dass der Zustrom zur Petition konstant seit Beginn der Kampagne erfolgt. Noch gut zwei Wochen und die Petition wird die erfolgreichste Online-Petition des Bundestages bisher gewesen sein.

Fehn.TV merkt an, dass es doch auch noch eine andere Petition gibt, die das Thema ggf. etwas akkurater umschreibt. Ich hatte diese auch erst später entdeckt aber es ist sicherlich nun kein Beinbruch, dass sich alles auf die Petition von Tobias Hahn konzentriert. Die letzten Wochen haben durch die Petition schon eine interessante webweite Diskussion losgetreten und bei vielen ein doch recht substantielles Verständnis für die Problematik gebildet. Das ist schon mal eine Menge.

Etwas Verwirrung gibt es darüber welche Wichtigkeit das Erreichen der 50.000 Stimmen-Grenze für die Petition hat. Wenn man den Text richtig interpretiert, gibt es eine Automatik für diesen Fall und eine zusätzliche, wenn diese Grenze schon nach drei Wochen erreicht worden wäre. Letztere ist nicht relevant und kann auch nicht mehr erreicht werden.

Update: Ich habe mir das Beamtendeutsch der Petitionsregelung jetzt noch ein mal genau erklären lassen und durfte feststellen, dass ich das bisher wohl falsch interpretiert habe. Es sieht also so aus: die 50.000 gelten entweder von Beginn an (das war das, was ich falsch verstanden habe: das wären quasi Unterschriften, die man schon zum Zeitpunkt der Einreichung vorweisen kann) oder eben nach drei Wochen. Der Zeitpunkt ist vorbei.

Wie auch immer. Wünschenswert ist schon dass – wenn der aktuelle Trend anhält – sie die erfolgreichste Petition überhaupt gewesen sein wird und kann von der Politik nicht mehr als unbedeutend unter den Tisch gekehrt werden kann.

Im Rahmen des Widerspruchs gegen die Oberbürgermeisterwahl in Cottbus wird das Thema ohnehin das erste Mal öffentlich zur Sprache kommen, auch wenn der Termin für diese Anhörung noch nicht klar ist. Und das neuerliche Wahlcomputer-Debakel bei den Wahlen in den USA tut ihr übriges. In Virginia war der Unterschied zwischen dem demokratischen und dem republikanischen Kandidaten kleiner als 1%. Dem Gesetz nach kann hier eine Nachzählung angeordnet werden. Ich frage mich, welche Wahlcomputer dort zum Einsatz kamen und wie eine Nachzählung dort konkret aussieht.

Petitionsserver-Panik

Mein letzter Blogeintrag zu dem Thema war etwas konfus und ich hatte auch noch ein paar Dinge übersehen, daher hier eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse in chronologischer Reihenfolge.

  1. Tobias Hahn richtet am 17. Oktober 2006 auf dem Petitionsserver des Deutschen Bundestags (der auf einem Server des Schottischen Parlaments läuft) eine Petition zur Abschaffung des §35 des Bundeswahlgesetzes mit der ID 294 ein.
  2. Die Petition wird vom CCC unterstützt und sammelt in der Folge über 25.000 Unterzeichner.
  3. Seit letztem Donnerstag oder Freitag funktioniert die Anzeige aller Unterzeichner der Petition nicht mehr richtig. Der Webserver erzeugt unvollständige, falsch formatierte Seiten. Offenbar ist dieses Problem seit Juni 2006 bekannt, weil es bei einer anderen Petition schon zu ähnlichen Effekten.
  4. Mindestens eine der Personen, die diese Seite zur Erzeugung von Statistik-Grafiken verwendet weist die Administratoren des Systems daraufhin. Über das letzte Wochenende passiert zunächst nichts
  5. Am Dienstag, den 7. November erscheint auf einmal eine „Ersatzpetition„, die im Kern den selben Petitionstext enthält wie die bisherige, allerdings schlecht formatiert. Hier stehen die Stimmen auf 0.
  6. Die bisherige Petition wird um einen Text ergänzt: „Bei dieser Petition kann aus technischen Gründen Ihre Mitzeichnung nicht mehr sichtbar gemacht und gezählt werden. Bitte benutzen Sie zur Unterstützung die sachgleiche Ersatzpetition, die wir hierfür extra eingestellt haben. Wir bitten um Ihr Verständnis.“. Obwohl hier gesagt wird, die Petition sei jetzt nicht mehr zählbar ist sie nach wie vor zur Zeichnung freigegeben. Ein direkter Link auf die „Ersatzpetition“ fehlt.

Derzeit sind also zwei Petitionen zum gleichen Thema geöffnet und beide können unterschrieben werden. Der in fetten Zeichen gesetzte Zusatztext impliziert, die ursprüngliche Petition sei nicht mehr zählbar, ist aber weiterhin unterschreibbar und der Zähler zählt auch hoch. Ein Link auf die neue Petition fehlt und die neue Petition enthält den Petitionsaufruf in falscher Formatierung.

Hier zahlt sich wohl gerade bitter aus, dass die Server der Online-Petitionen des Deutschen Bundestags nicht unter der technischen Hoheit des Deutschen Bundestags sind. Anstatt die Fehlfunktion eines Skripts zu beheben greifen die zuständigen Personen des Bundestags durch „Workarounds“ aktiv in den Ablauf und Inhalt der Petitionen ein. Ein unhaltbarer Zustand. Dazu kommt noch, dass viele sicherlich auch davon abgeschreckt sind, dass der Server nicht über ein korrektes Zertifikat verfügt und damit seine Legitimität nicht nachweisen kann. Manche gehen schlicht davon aus, dass es sich hier um eine Phishing-Site handelt. Das ist zwar nicht der Fall, aber so eine Reaktion ist verständlich. Man muss ja auf der Hut sein.

Jetzt werden durch das nicht nachvollziehbare Hin und Her bei der Petition die Chancen der Unterstützer der Petition massiv eingeschränkt und es bleibt total unklar, ob und wenn ja wo die Unterschriften korrekt gezählt werden, da ja die Liste nicht mehr öffentlich eingesehen werden kann. Der unverantwortliche Umgang mit den Petitionen darf nicht so weitergehen.

USA: Wahlcomputer machen Probleme

Wer hätte es gedacht: USA: Wahlcomputer machen Probleme. Viele neuen Geräte funktionieren schlicht nicht. Der Spiegel schreibt:


Amerika wählt, schon treten die ersten Pannen auf: Aus mehreren Bundesstaaten werden Probleme mit den brandneuen Zählmaschinen gemeldet. Mancherorts muss sogar auf altmodische Wahlzettel zurückgegriffen werden.

Soso, Wahlzettel sind also „altmodisch“. Gna. Aber schauen wir doch mal, was jetzt dort abgeht, wo die Kisten rumzicken:


Wie ein AFP-Korrespondent aus einem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Viertel in East Cleveland im Bundesstaat Ohio berichtete, funktionierte dort zunächst keines der elf Geräte in einer als Wahllokal genutzten Grundschule. Erst nach zwei Stunden war die Panne behoben. Bis ein Rechtsanwalt der Beobachtergruppe „Election Protection“ (Wahlschutz) auftauchte, weigerten sich die Wahlhelfer, den Wählern Papier-Stimmzettel auszuhändigen. „Weil die Maschinen streikten, haben sie die Wähler weggeschickt, obwohl sie dazu kein Recht hatten„, kritisierte der Anwalt Fred Livingstone. Auch in Orange Park in Florida mussten die Wähler doch wieder Stimmzettel aus Papier benutzen, weil eine Wahlmaschine streikte.

Soso. Ohio also. Ist das nicht der Staat, der die letzten Präsidentschaftswahlen entschieden hat? Honi soit qui mal y pense.

Ich denke in Cottbus wäre wohl auch nicht viel anderes passiert, wenn die NEDAP-Computer in einem Wahllokal nicht funktioniert hätten. Alternative Wahlzettel sahen wir da auf jeden Fall nicht herumliegen. Die interne Anweisung war, bei technischen Problemen die Wahlleitung anzurufen. Viele Wähler, die wir ansprachen hatten wenig Zeit und wollten schnell wieder weiter und wären wohl kaum noch ein zweites Mal ins Wahllokal gegangen. Da die Schließung um 18:00 Uhr wohl sicher auch nicht verschoben worden wäre kann man für den Fall schon mal klar von Einschränkung der allgemeinen Wahlen sprechen. Aber das interessiert ja keinen, wenn man so schön eine halbe Stunde beim Zählen spart.

Ganz toll auch diese Formulierung in dem Artikel:


Kritiker hatten vor der Wahl gewarnt, dass die neuen Wahlcomputer durch Hacker manipuliert werden könnten.

Geht’s noch? Es wurde nicht davor gewarnt, dass Hacker manipulieren könnten, sondern es wurde von Hackern gewarnt, dass Innentäter manipulieren könnten.