Die Sache mit den Hackern…

Letzte Woche wurde ich vom SWR2 zu einem Gespräch über Hackerkultur eingeladen in einer Runde von TLA-Vertretern: Holm Friebe von der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA) und Günter Ennen vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Na und ich wurde natürlich als Repräsentant des Chaos Computer Club (CCC) befragt. So weit so gut.

Zu meiner Überraschung kam der BSI-Vertreter mit allerlei überholten Feindbildern und sonstigen Stereotypen über Hacker daher, so dass sich ein wie ich finde recht unterhaltsames Streitgespräch entwickelte, in dem ich versuchte, seine doch recht überholten Ansichten mit den Realitäten des 21. Jahrhunderts abzugleichen. Das Gespräch lief gestern live auf SWR2 und ist jetzt online auf der SWR2-Website und auch im SWR2 Forum Podcast abzurufbar. Zur Sicherheit habe ich das auch noch auf Dossier Chaotique archiviert. Man weiß ja nie.

Landesanstalt für Dummheit und Gemeingefährlichkeit

Was lesen meine geblendeten Augen: der Direktor der Landesanstalt für Medien in NRW fordert allen Ernstes ein Verbot von Porno und dass Podcasts ab 500 Hörern als „Rundfunk“ einzustufen seien und sich eine „Lizenz“ holen sollen? Ich glaub es hackt. So viel Dummheit habe ich schon lange nicht mehr sich auf ein mal entfalten sehen. Ich empfehle diesem Herrn unmittelbar in Rente zu gehen (nicht über Los!).

Ich lehne es rundweg ab, mir für meine Freiheit der Meinungsäußerung und Nachrichtenverbreitung über ein Medium, dass keinerlei Engpässe aufweist (im Gegensatz zum Rund_funk_) mich in irgendeiner Form lizensieren zu lassen oder andere meinungsäußernde Einschränkungen hinzunehmen.

Und was die Sache mit dem Porno betrifft: ich schlage vor mal in Deutschland testweise eine Woche lang jeglichen Sex zu unterbinden. Danach wird sich die Regelung von alleine wieder auflösen, weil die auf die Barrikaden gegangene und mental durchgedrehte Bevölkerung dann wahrscheinlich bereits die freiheitlich-demokratisch Grundordnung zum Teufel gejagt hat und die ersten Paläste brennen.

Auf nach Toronto

Ich fliege am Samstag auf einen Kurztrip in Toronto und kehre nächsten Donnerstag wieder zurück nach Deutschland. Wie immer bin ich für Tips und Hinweise zu haben. Bitte keine allgemeinen touristischen Empfehlungen – dafür habe ich eh keine Zeit. Gerne per Mail an tim at ccc dot de, aber auch gerne via Twitter.

Warum ich nach Toronto fahre werde ich sehr bald mal erläutern. Geduld. Nein, es hat ausnahmsweise nichts mit Podcasting zu tun :)

Wo ist Europa?

Mit Unglauben starre ich auf meine Mobilfunkrechnung. Das Abrufen von ca. 25 Webseiten (25 MB Daten) in Österreich auf meinem Telefon hat den berückenden Betrag von 175,00 zusammengebracht. Ohne Kloß im Hals oder Scham bestätigt mir der O2-Kundenservice die Tarifierung von „7 Cent pro 10 KiloByte“ (also known as 7 EUR pro Megabyte). Ich könnte kotzen.

Ich frage mich, welches europäische Gesetz solchen Straßenraub erlaubt. Es wird viel geredet und noch mehr reguliert, aber der digitale Berich bleibt außen vor. Unsere Politiker speichern gerne alles mit, aber mal für Anstand in Telefonnetzen zu sorgen scheint unmöglich zu sein.

Um es mal ganz klar zu sagen: es hat ein Ende zu sein mit Roaminggebühren für Sprache oder Daten innerhalb der Europäischen Union. Das ist das, was der Begriff „Union“ ausdrückt. Wenn wir schon unter europäischen „Harmonisierungen“ zu leiden haben, dann sollte diese Störtebeker-Mentalität damit gleichsam den Gang zur Guillotine antreten.

Ja ich weiß, selbst schuld, internetabhängig und so weiter. Bin trotzdem sauer. Penner.

Berufsjugendtum

Am nächsten Mittwoch spiele ich wieder Rampensau und werde als Mitdiskutant in einer Runde von Fünfen zzgl. Moderator zum Thema „Internet total – Wie prägt das Netz die Jugend?“ befragt werden und Antworten liefern. Die Veranstaltung findet am 7. Mai 2008 von 16:45 Uhr
bis 18:00 Uhr in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs statt.

Mir ist das Alter der anderen Diskutanten mit Ausnahme des meinen (40) nicht bekannt, aber ich habe den Eindruck, dass hier mal wieder die Älteren über die Jüngeren reden werden, was natürlich so eine Sache ist. Ich kann mich da mit meiner Mission als Berufsjugendlicher und der Tatsache, dass ich schon vor knapp zwanzig Jahren (man beachte den bang path!) mein Leben zumindest teilweise im Netz gelebt habe, herausreden.

Doch da es hier zuletzt schon so nettes Fedback gab, dachte ich, ich frage auch noch mal die Jüngeren unter Euch, wie ihr so zu den Fragestellungen steht. Die Kernfragen aus der Beschreibung der Veranstaltung sind:

  1. Sozialisation gestern und heute – Welchen Einfluss hat das Netz?
  2. Lass die Kinder mal machen – oder Kontrolle total?
  3. Wie sieht der Jugendliche der Zukunft aus?

Ich bin über jede Anregung dankbar, aber ganz spannend fände ich es, wenn jeder zu jedem der drei Punkte seinen wichtigsten (oder ersten) Gedanken aufschreibt. Vielen Dank schon mal im voraus.

PS: Das ist mein erster Post mit hCalendar-Mikroformat. Wessen Browser oder RSS Reader kommt damit klar? Mit NetNewsWire geht’s.

Update: Die Veranstaltung ist heute gelaufen. War eine durchaus interessante Situation, die allerdings darunter litt, dass die Akustik in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs dermassen mies war und das ZDF es irgendwie nicht geschafft hat, dem Panel Monitorboxen zu bereitzustellen. So konnten sich die Teilnehmer teilweise nicht verstehen, ich selbst konnte nur dreien von fünfen folgen. Schlimm.

Ich hatte mich allerdings gut vorbereitet und habe auf der Bahnfahrt nach Leizip genüsslich in Euren Kommentaren geschmökert und eine Reihe von ihnen zitiert. Grundsätzlich bewegte sich die Runde aber im geistig gesunden Bereich. Sollte dem ZDF die Aufzeichnung des Gesprächs zu entlocken sein werde ich versuchen, gegen das Copyright zu verstossen.

Ein offener Brief vom Internet zum Tag des Geistigen Eigentums

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(Dieser Text ist nicht von mir, sondern von Pavel, der mich bat, ihn anstatt seiner zu veröffentlichen, da sein Blog gerade nicht geht. Das Original liegt als wohlformatiertes PDF vor. Wie Ihr Euch schon gedacht habt ist das ganze eine wohlfeile Replik auf den entsprechenden Brief an unsere Bundeskanzlerin von vor ein paar Tagen).


Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

gestern war der Tag des des geistigen Eigentums, und sie haben einen Brief von einhundert selbstlosen Kulturschaffenden erhalten, die aufgrund der unmoralischen Nutzung des Internets in Sorge sind, dass der Nachwuchs demnächst für sein Geld dauerhaft hart zu arbeiten gezwungen sein könnte und niemand mehr mit einem einzigen Supererfolg für alle Zeiten ausgesorgt haben wird.

Kulturschaffende waren bereits im vorigen Jahrhundert durch das Aufkommen von Kompaktkassetten, Videorecordern, Photokopiergeräten und CD-Brennern vom Ruin bedroht. Als plötzlich jedermann Kopien und Mitschnitte von Rundfunksendungen anfertigen konnte und diese an seine ganzen Freunde verschenkte, hat das die Kultur zwar beflügelt, aber das konnte ja niemand wissen. Das darf sich nicht wiederholen. Diesmal muss der Fortschritt aufgehalten werden.

Im 19. Jahrhundert zerstörte die ungehinderte Einführung von Kältemaschinen eine florierende weltweite Eistransportindustrie, und im 20. Jahrhundert trieb der Verbrennungsmotor zahlreiche Dampfmaschinenhersteller und Pferdezüchter in den Ruin. Weltweit gingen Millionen von Arbeitsplätzen verloren, Aktionäre gingen bankrott. Diese Beispiele zeigen, daß der technologische Fortschritt mit Leichtigkeit höchst erfolgreiche Geschäftsmodelle zerstören kann, was für die Betroffenen sehr unangenehm ist.

Dank Ihres vorbildlichen Einsatzes, Frau Bundeskanzlerin, haben die Chinesen völlig damit aufgehört, einfach etwas zu kopieren, leben im Wohlstand und schützen ihre Bürger vorbildlich vor gefährlichen Inhalten aus dem Internet. Auch England und Frankreich nehmen sich bereits ein Beispiel an China.

In Deutschland dagegen wurden allein im vergangenen Jahr über 300 Millionen Musikstücke im Wert von 100-200 Millionen Euro illegal aus dem Internet heruntergeladen. Im Durchschnitt hat sich also jeder Bundesbürger einen unrechtmäßigen Vorteil von fast 2 Euro verschafft, zehnmal mehr, als legal verkauft wurde. Welch Wachstum und Wohlstand für Deutschland hätte man mit 100 Millionen Euro mehr in den Händen der Contentindustrie wohl erreichen können?

Die Versuche, dem Verbraucher mit technischen Mitteln unmoralische Handlungen zu erschweren, warenüberraschenderweise kontraproduktiv, da offenbar trotz aller Aufklärungsbemühungen nur wenige Konsumenten bereit sind, für defekte Produkte bei eingeschränkter Vielfalt Geld auszugeben, während funktionierende Produkte in voller Vielfalt einfach so aus dem Internet heruntergeladen oder von Freunden kopiert werden können.Aber das Internet wurde schliesslich nicht erfunden, um frei Informationen auszutauschen, sondern schnell viel Geld zu verdienen zu können.

Es kann nicht sein, dass weiterhin alle Bevölkerungsschichten, darunter auch viele mittellose Jugendliche und das sozial Schwache sich für wenig Geld Kulturgenuss verschaffen und dafür gerade einmal 6.7 Mrd. Euro Rundfunkgebühren, hunderte Millionen an Pauschalabgaben und Milliarden an Mehrwertsteuern auf technische Geräte entrichten? Oder noch schlimmer, sich vielleicht Fernsehaufzeichnungen mit herausgeschnittener Werbung ansehen? Diese existentielle Bedrohung des Nachwuchses unserer Kulturelite ist eine Bedrohung Deutschlands als Kulturstandort, so wie wir ihn kennen.

Was, wenn jeder Film, jedes Musikstück und jedes Buch, das jemals aufgezeichnet wurde, legal herunter geladen werden könnten, statt kontrolliert vermarktet und rechtzeitig entsorgt zu werden, um Neuem Platz zu machen? Da müsste der Nachwuchs ja bessere Produkte liefern als die Alten, und man müsste selbst entscheiden, was man rezipieren soll, oder sich auf Empfehlungen von Freunden verlassen, statt wie bisher bequem ummarktet zu werden.

Und Sie können es unmöglich zulassen, dass Nachwuchstalente unter Umgehung der etablierten, hoch entwickelten Verwertungskonzerne direkt an den Verbraucher verkaufen. Schliesslich tragen diese Konzerne mit ihren selbstlosen Spenden erheblich zur politischen Willensbildung in unserem Land bei.

Die Musik und Filmindustrie (1,6 bzw. 3 Mrd. € Umsatz) darf nicht weiterhin nur ein Mitesser am Gesäß der IT-Industrie (134 Mrd. €) bleiben, denn sie versorgt viele Stars, die wichtige Multiplikatoren sind und mit denen Sie, Frau Bundeskanzlerin, es nicht nicht verscherzen sollten. Bitte sorgen Sie dafür, das die Content-Industrie sich an prominenterer Stelle im Wirtschaftskreislauf festsetzen und sich ungehindert ausbreiten kann.

Ihre möglicherweise bestehenden Befürchtungen hinsichtlich der Popularität der notwendigen Massnahmen sind verständlich, aber Sie können sicher auch hier erfolgreich auf europäische Richtlinien verweisen, die umgesetzt werden müssen. Erfreulicherweise konnte ja Deutschland bereits dank der kostenlosen Mitarbeit von Konzernvertretern in den Ministerien deutliche Fortschritte bei der Wirtschaftsfreundlichkeit der Gesetze erreichen.

Geistiges Eigentum ist das Öl des 21. Jahrhunderts. Wo kämen wir da hin, wenn jeder Bürger in unserem Land Öl beliebig und zu geringen Kosten vervielfältigen könnte? Wir, das Internet, möchten Sie daher bitten, die Angelegenheit zur Chefsache zu machen, da es wohl derzeit kaum wichtigere Probleme gibt, um die Sie sich kümmern müssten.

In Hoffnung auf ihre Unterstützung und mit freundlichen Grüssen

Das Internet

Open Source ist auch keine Lösung

Es steht zu befürchten, dass die Meldung von Heise zur Einführung von Open Source bei Wahlcomputern in Brasilien im Linux-Lager zu Jubelchören führen wird. Das ist allerdings sehr unangemessen. Ich sage auch, warum.

Der Grund ist schlicht der, dass ein Computer, dessen Software auf freier Software basiert genau keinen Fortschritt in bezug auf seine Transparenz bietet. Denn entscheidend ist nicht die Software, von der bekannt gegeben wird, dass sie auf dem Rechner läuft sondern die, die letztlich auf den Systemen tatsächlich zum Einsatz kommt.

Sicherlich ist das angekündigte Vorgehen, das auch mit digitalen Signaturen hantiert, gut gemeint. Aber man braucht sich nur die Hackereien mit dem iPhone anzuschauen um zu sehen, was heraus kommt, wenn es nur genug Interesse in einem Lager gibt, ein manipuliertes System zu haben. Es wird kein technische Möglichkeit geben, die Integrität der Systeme über alle Zweifel erhaben zu machen. Und ein manipuliertes System wird auch Wege finden, sich vor Überprüfungen zu verstecken.

Im übrigen verhindert auch das Weglassen des Internets einen Einbruch „von außen“ nicht zwingend. Abgesehen davon ist allerdings auch der Einbruch „von außen“ nicht das eigentliche Problem, sondern der Einbruch „von innen“.

Ich bleibe dabei: die Computerisierung von Wahlen ist die schlechteste Idee seit Erfindung der Demokratie und eine Garantie dafür, dass man sich in Kürze auf die Ergebnisse der Machtdelegation überhaupt nicht mehr verlassen kann. Das damit verlorere Vertrauen hat jedes Potenzial, den Vertrauenskonsens einer Gemeinschaft aufzukündigen.