Au weia. Nachdem sich kürzlich der Podcastverband zusammengefaltet hat, hat nun auch der zweite „Interessenverband“ namens Podcastclub die Türen geschlossen. Anlass war das Hickhack um die technisch blauäugig durchgeführten Podcast-Awards. Jetzt ist der Vorsitzende „nur noch genervt“ und lässt das Projekt komplett sterben. Sein Gejammere wurde in einer „Sondersendung“ des Podcast-Journals aufgezeichnet.
Es lässt sich bemerken, dass die Leute, die vor gut zwei Jahren in totaler Euphorie das Podcasting in Deutschland mit allerlei Jubelveranstaltungen und Gründungen eben jener Interessenvertretungen die deutsche Podcast-Szene herbeibeschworen haben, jetzt alle die Löffel fallen lassen. Man fühlt sich überfahren von YouTube und Marketingabteilungen, die das Podcast-Konzept nicht verstanden haben. „Menschen der ersten Stunde“ wie Gerrit von Aaken werfen ebenfalls das Handtuch und überhaupt sind sich alle einig, dass Podcasting ja total am Ende sei und alle total frustriert sind und überhaupt und alles scheiße und ich will wieder nach Hause zu Mami und keiner hat mich lieb.
Ich bin beruhigt. Irgendwie fand ich diese selbsternannte Internet-Welle schon immer ein wenig anstrengend. Events wie das Podcamp waren weder überlaufen noch inhaltlich besonders interessant. Statt einer „Szene“ konnte ich eher eine Reihe übereuphorischer Einzelkämpfer beobachten, die es geschafft hatten, sich auf der ersten Hypewelle tolle Pole-Positions bei irgendwelchen Verlagen oder anderen Plattformen zu beschaffen oder auch sonst permanent interviewt zu werden. Das stand meiner Meinung nach in einem krassen Missverhältnis zur Realität der deutschen Podcasts.
Ich betone: deutsche Podcasts. Die Podcast-Landschaft in den USA z.B. ist ganz anders und um ein vielfaches unterhaltsamer, experimentierfreudiger und unterhaltsamer. In Deutschland hatte vieles Kegelclub-Niveau und kam selten über die Tagebuch-Ebene hinaus. Klar, gute Beispiele gibt es auch zu hauf, aber trotzdem waren das noch zu zarte Pflanzen als dass sie so einen Hype bereits verdient hätten. Trotzdem zeigt sich, dass wir es in Deutschland auch noch recht gut haben, da es Qualitätsradio gibt wie den DLF und viele andere öffentlich-rechtliche Sender. Das Podcast-Angebot des WDR ist zum Beispiel vorbildlich und macht es natürlich einer unabhängigen Szene schwer, zu sich selbst zu finden.
Aber jetzt gleich die nächste Keule zu schwingen und alles als tot zu erklären halte ich für ausgemachten Quatsch. Es mag ja sein, dass die Leute in Deutschland in der Mehrheit das Abonnenment-Konzept des Podcastings noch nicht verstanden haben, dass sich eine Mehrheit den webbasierten Video- und Audioangeboten widmet und eine deutsche „Szene“ nicht existiert. So what?
An den Vorzügen des Podcastings ändert das nichts. Wer eine Nische mit interessanten Content beschallen will, kann dies immer noch tun und die Werkzeuge dafür werden täglich besser. Es kommt immer mehr Audio-Hardware auf den Markt, die die Produktion vereinfacht und spezialisierte Software wird den Aufnahme- und Publikationsprozess weiter vereinfachen. Man schaue sich da mal nur solche Programme wie Übercaster an.
Ich selbst kann auch keinen Niedergang verzeichnen. Chaosradio Express erfreut sich seit Anbeginn steigender Nachfrage. Es gibt viele tausend Abonnenten und viele tausend weitere, die jeder Folge über andere Wege lauschen. Ich denke, es ist letztlich alleine eine Frage der richtigen Inhalte für die richtige Zielgruppe. Stimmt eines davon nicht, klappt es eben nicht.
Ich denke es hilft in der Diskussion, zwei Begriffe auseinanderzuhalten: Podcasting und Podcasts. Podcasting ist ein Distributionsmodell und es ist sehr erfolgreich. Wer kontinuierlich Inhalten folgen möchte und vor allem mobil und offline konsumieren möchte, für den ist es immer noch die beste Methode, diese Inhalte auch zu beziehen. Dass Podcasting nicht jedem bekannt ist ist kein Problem. Es wird immer bekannter mit jedem verkauften iPod. Irgendwann werden vielleicht auch die anderen Hersteller begreifen, dass Podcasting-Support eine tolle Sache ist und vielleicht endlich mal Software dafür bereitstellen. Bis dahin wird der iPod sicherlich weiter Markanteile dazugewinnen.
Podcasts wiederum sind ein kulturelles, kein technisches Phänomen – und noch sehr jung. Was in zwei Jahren nicht gelungen ist, kann in drei oder vier Jahren schon ganz anders aussehen. Es musste auch erst mal experimentiert werden. Nun fallen also ein paar Podcasts unter den Tisch, weil ihr Konzept nicht trug oder die Leute es nicht mehr produzieren wollten (oder das Publikum es nicht nicht mehr hören). Macht nix. Auch bei den Blogs gibt es ein Kommen und Gehen. Das hat den Blogs wenig geschadet. Nur Qualität setzt sich durch.
Technisch lässt sich noch eine Menge bewegen. Unter anderem müssen Metadaten umfangreicher genutzt und besser mit dem Web verwoben werden. Kapitelmarken mit Titeln, URLs und Summaries können den Weg zu speziellen Playern eröffnen. Hier dürfte das Release von Flash 9 ggf. schon helfen, da es jetzt MPEG-4 Audio und iTunes-Kapitelmarken unterstützt. Mit den schon oben erwähnten verbesserten Produktionsmethoden könnte der Audio-Content (und natürlich auch der Videocontent) bald noch einfacher durchsuchbar, linkbar und damit integrierbar werden.
Mit anderen Worten: der Podcast ist tot, es lebe der Podcast! Ich werde auf jeden Fall nicht so schnell aufhören und habe noch so einige Ideen, wie man voranschreiten kann.