Rückblick SIGINT 2009

Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich gerade auf dem Rückweg von der SIGINT. Von der Abschlussveranstaltung habe ich nur noch die ersten Minuten mitbekommen, aber von der Veranstaltung als solcher um so mehr. Es ist schon sehr entspannend, weder als Veranstalter noch als Vortragender eingebunden zu sein, sondern sich einfach von den Vorträgen berieseln lassen zu können und mit anderen Teilnehmern neue oder längst überfällige Gespräche zu führen.

Trotzdem werde ich natürlich meine Veranstalterperspektive nicht los und schaue auf die SIGINT mit kritischem Interesse. Bevor mich die Erinnerung wieder verlässt möchte ich daher hier ein kleines Fazit der SIGINT09 abgeben.

Ich möchte vorab feststellen, dass ich die Veranstaltung insgesamt sehr gelungen fand und ich denke, dass das Klassenziel, eine neue CCC-Veranstaltung mit gesellschaftspolitischem Fokus loszutreten, erreicht wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle auch gleich mal bei allen bedanken, die sich in jeglicher Form im Vorfeld, während und besonders nach (!) der Veranstaltung eingebracht haben. Eine Veranstaltung zu organisieren, ist hartes Brot und es im CCC-Kontext durchzuführen, macht es nicht immer leichter.

Beyond C3

Wie schon erwähnt sollte die SIGINT vor allem dort greifen, wo es beim Congress schwierig ist. Das gilt z.B. für den Termin: um Weihnachten/Neujahr herum werden wir auf absehbare Zeit eine bestimmte Zielgruppe niemals erreichen. Das gilt sowohl für Besucher als auch für Medien und damit auch die öffentliche Wahrnehmung. Das ist zwar alles in den letzten Jahren auf dem Congress viel toller und besser geworden, aber es gibt eben eine Grenze, die nicht überschritten werden kann (und meiner Meinung nach auch nicht überschritten werden muss).

Der Congress ist eine Veranstaltung, die sich vornehmlich (wenn auch nicht ausschliesslich) der europäischen und internationalen Hacker-Community und ihren Freunden zuwendet. Er ist ein Treffen von Hackern für Hacker und solche, die es gerne werden wollen. Das gibt schon eine Menge her. Natürlich versuchen wir, unsere Themen auch halbwegs massennkompatibel zu vermitteln, aber die Zielgruppe ist klar, zahlreich vertreten und wird immer auch ihre eigene Sprache und Codes verwenden. Das geht so auch in Ordnung.

Für den gesellschaftspolitisch interessierten Technikfreak ist daher der Congress ein Mekka: coole Technik, coole Leute und dazu ein gesellschaftspolitischer Roundup, der szenekompatibel verpackt und entsprechend humorvoll präsentiert wird. Das Dilemma: in dieser Verpackung erreichen wir eine Menge Leute nicht. Der gesellschaftspolitische Anspruch des Clubs wird durch die technischen Themen zum Teil verschattet. Ich sage nicht, dass sie eine zweite Geige spielen – sie sind nur nicht isoliert wahrnehmbar und das ist für das Entfachen einer gesellschaftspolitischen Diskussion ein Hindernis.

Eine neue Veranstaltung

Diese Gemengelage hat die Idee geboren, die lange Zeit zwischen zwei Congressen mit einer neuen Veranstaltung zu beglücken, eben der SIGINT. Im Mai positioniert, erbt sie zunächst nichts von dem unglücklichen Timing des Congresses. Mit Köln als Veranstaltungsort findet sie zudem an einem der lebendigsten und traditionsreichsten Außenstellen des CCC statt und inmitten eines riesigen Einzugsgebietes – dem Rheinland und seinen bevölkerungsreichen nahen weiteren urbanen Zentren. Ideal für Leute, denen Berlin schon immer zu weit weg war oder die Reise aus anderen Gründen nicht zuzumuten ist.

Tatsächlich war dies spürbar. Die SIGINT wurde von vielen Leuten besucht, die zuvor noch auf keiner CCC-Veranstaltung waren. Dies ist zwar nur eine Annahme auf Basis einer Hände-Hoch-Umfrage bei der Begrüßungsveranstaltung, aber sie bestätigte sich für mich in vielen folgenden Einzelgesprächen. Dies mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass Themen wie Zensursula weiteres Interesse am Club, seinen Themen und Aktivitäten entfacht hat, aber ich würde es vom Gefühl her vor allem Ort und Zeit zuschreiben.

Der dritte und wichtigste Unterschied der SIGINT sollte die schon erwähnte Konzentration auf gesellschaftspolitische Themen sein. Dies ist gelungen. Ein Blick auf das Programm offeriert eine große Bandbreite aktueller politischer Schwerpunkte und zu meiner Genugtuung waren viele Vorträge in Form und Inhalt sehr ansprechend. Diesen Eindruck vermitteln auch die zahlreichen Rückmeldungen auf Twitter (#sigint, #sigint09). Natürlich war auch wieder das eine oder andere darunter, was nicht so auf den Punkt gebracht wurde, aber die Ausnahme bestätigt auch hier wieder die Regel. Wie das eben immer so ist.

Struktur

Im Großen und Ganzen war die Vorgabe dreier „Tagesthemen“ nicht hinderlich, wenn auch in meinen Augen verzichtbar. Ich finde, die (aktuellen) Themen sollten eher das Programm, als das Programm die Themen definieren. Jeden Tag mit einer Keynote einzuleiten hat trotzdem einen gewissen Stil und die zwei von den drei Keynotes, die ich gesehen habe, waren ansprechende Einführungen oder interessante Thesenpapiere in den gewünschten Kontext. Sowas macht eine Veranstaltung auch aus. Gut.

Hier offenbarte die SIGINT allerdings auch ihre natürgemäß schwierige Selbstfindung: Veranstaltungen waren teilweise auf deutsch, teilweise auf englisch. So sehr ich das Engagement unserer amerikanischen Gäste generell schätze und konkret genoss, bin ich doch davon überzeugt, dass es wichtig ist, die SIGINT zumindest vorerst als klar an den deutschsprachigen Raum adressierte Veranstaltung erkennbar werden zu lassen.

Nahezu alle politischen Themen auf der SIGINT hatten ihren Fokus auf Deutschland oder waren zumindest europäische Herausforderungen, für die wir aus unserer Region heraus eine Veränderungsmoment erwirken wollen. Da ist es ggf. wenig hilfreich, die Tage mit „Control and Surveillance„, „Pranks, Bugs, and Insecurities“ und „The Future of Everything“ zu übertiteln. Nur weil es vielleicht cooler klingt führen diese Titel in Englisch eher zu einer negativen Wirkung, ganz so wie wir am Bahnhof auch kein „Service Point“ vorfinden wollen, sondern eine Auskunft, die uns einfach weiterhilft.

Ich weiß: es gibt ja auch noch Europa und der europäische Kontext spielt in zunehmendem Maße eine Rolle. Ich denke auch, dass die SIGINT gerade mit ihrer räumlichen Nähe zum zentraleuropäischen Raum inkl. Brüssel sich durchaus europäisch entwickeln könnte. Aber man muss zunächst Schwerpunkte setzen und sich dann schrittweise in neue Richtungen bewegen.

Zweifel hatte ich schon im Vorfeld beim Ausrufen eines „Hackcenters“. Dabei geht es mir weniger um die technische Bereitstellung von Tischen mit Daten- und Stromnetzanschlüssen – diese ist sicherlich für eine hochkommunikative Veranstaltung mit netzaffinen Leuten absolut notwendig und sinnvoll. Ich störe mich eher an der Verwendung des Begriffs „Hackcenter“ als solchem, der den Congress-typischen Pumakäfig impliziert und teilweise auch entsprechende Luftqualität nach sich zog. Trotzdem war es aber für die SIGINT an sich kein Problem. Die gemütliche Sofaoption sollte allerdings auch ohne die unmittelbare Nähe zu Rechnertischen nutzbar sein und ein offenes Andocken direkt an den Ausgängen der Veranstaltungsräume ermöglichen. Diskussionsfähig.

Zeitliches

Das bewährte Zeitschema des Congresses wurde leider in einem Punkt nicht vollständig übernommen: eine 15-minütige Überbrückung zwischen zwei Vorträgen wurde nicht vorgesehen. Dies führte wieder zu dem Problem, dass Veranstaltungen quasi nahtlos ineinander übergingen, obwohl man schon einige Minuten brauchte, um die Gebäude zu wechseln und die Vortragsräume zu verlassen und zu betreten. Denk- und Rauchpausen noch nicht mitgerechnet. Das erzeugt Unruhe. Kein großes Problem, lässt sich ja einfach lösen.

Ein Problem sehe ich auch in der zeitlichen Ausdehnung an sich. Man kann diskutieren, ob drei Tage wirklich zwingend erforderlich waren. Am Ende hat es sicherlich nicht geschadet, aber das kostet natürlich auch Geld und Kraft (sowohl den Veranstalter als auch die Teilnehmer). Die einzelnen Tage selbst waren für meinen Geschmack inhaltlich zu gedrängt. Weniger hätte mehr sein können.

Der Zeitplan war aber auch insgesamt zu dicht. Zwei große Pausen waren zwar nicht schlecht, aber man sollte erwägen, nur zwei anstatt drei Vorträge aufeinander folgen zu lassen. Insgesamt war das Programm auch zu lang. Veranstaltungen um 23 Uhr beginnen zu lassen, mag auf dem Congress kein Problem sein. Wenn man aber normale Bürger auch ansprechen will, ist es ein Fehler. Man hätte auch nicht erst um 11 Uhr starten müssen. Mein Vorschlag: um 10 Uhr anfangen und spätestens um 20:00 Uhr ist Schluss. Dann mag es ggf. noch etwas optionales Rahmenprogramm geben, Workshops oder auch ne Party am zweiten Tag, aber die Kerninhalte sollten dann abgespult sein.

Über die Zahl von parallelen Veranstaltungen kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Einerseits denke ich, dass es reizvoll ist, die Zahl der gleichzeitigen Veranstaltungen zu begrenzen, damit man die Teilnehmer eher dazu bringt, in der nächsten Pause über das gleiche Thema zu diskutieren und damit einen Nachbrennereffekt zu erzielen. Andererseits wil man natürlich auch Bandbreite und nicht jeder interessiert sich für alles. Eine Lösung könnte sein, dass man ein oder zwei Veranstaltungen pro Tag als Solitär ohne Konkurrenzveranstaltungen laufen lässt, um ihnen eine gewisse Bedeutung zukommen zu lassen. Das Zensursula-Thema hätte hier sicherlich ob seiner Aktualität und Wichtigkeit eine solche Positionierung verdient. Aber das ist auch nur so ein Gedanke.

Was natürlich immer wieder passiert ist, dass die Popularität und die benötigte Dauer einer Veranstaltung falsch eingeschätzt wird. Warum man allerdings ausgerechnet Udo Vetter auf eine Stunde begrenzt und dazu noch den kleineren Saal wählt, erschließt sich mir nicht. Die große Nachfrage nach seinem Vortrag war zweifelsohne absehbar, wenn auch letztlich doch alle irgendwie reingepasst haben. Aber mehr Zeit hätte er haben sollen.

Ausstattung

Ärgerlich: eine Veranstaltung, die Diskussion auslösen soll, braucht ausreichend Mikrofone. Genug auf der Bühne. Genug im Saal. Und die Saalmikrofone sollten auf Stativen stehen. Funkmikrofone, die herumgereicht werden, sind ein Fehler, der nicht immer wieder wiederholt werden sollte. Wer mitreden will, soll sich zeigen und vor allem aufrecht stehen, damit er nicht launisch in die Diskussion nuschelt. Vor allem will man nicht, dass Leute, weil ihnen das Mikro zu langsam kommt, dann ohne Mikro losquatschen und damit die Nützlichkeit der Aufzeichnung der Veranstaltung ohne Not senken.

Begleitprogramm

Was die Spaßveranstaltungen betrifft, bin ich ein wenig gespalten. Einerseits ist es natürlich zu begrüßen, wenn die doch teilweise schweren Gedankentanker auch von ein paar Ausflugsbooten umfahren werden, damit man nicht die ganze Zeit das Gefühl hat, auf einer schnarchigen akademischen Tagung zu sitzen. Aber warum dann so ausufernd permanent geklampft und gesungen werden musste, hat sich mir dann auch nicht mehr erschlossen. Es wäre sicherlich wertvoller gewesen, am Samstag ein großes, lustiges Abendprogramm zu gestalten und ggf. Sonntag eine Stunde später zu starten um die unvermeidlichen Kater auszuschlafen. Ich mag Johannes und bewundere seine schier unbezwingbare Energie, aber wir sollten überlegen, ob weniger nicht mehr ist.

Warum das Konzert mit Angelika Express erst zwei Stunden nach der Abschlussveranstaltung stattfand erschloß sich mir überhaupt nicht. Hier hätte man am Samstag was Nettes zaubern können, an dem alle hätten teilnehmen können. So war der Samstag mit Grübelcontent bis in die Puppen vollgestopft – ohne Begleitprogramm.

Essen

Ein Minuspunkt war, dass es nur eine Getränkeversorgung gab. Wer denken will muss auch gut essen. Es wäre sehr wünschenswert gewesen, wenn man mit einem kleinen Caterer zusammengearbeitet hätte, der vor Ort qualitatives Essen anbietet, zumindest in Form von belegten Broten, Bagels, Baguette oder was auch immer. Stattdessen gab es nur ungesunde Schokoriegel und die Alternative teurer und teilweise recht schnarchiger Restaurants, auch wenn diese immerhin direkt vor Ort waren. Ich weiß nicht, ob die Mietbedingungen die Platzierung eines solchen Caterers erlaubt hat, aber man sollte zur Not drauf drängen, dass es möglich wird.

Location

Das KOMED ist an sich eine geeignete Location. Gegen Abend wurde der leicht prekäre Wochenend-Abfeier-Mob im Mediapark zwar etwas anstrengend, aber die Veranstaltungsräume als solche waren prima. Gute Akustik und passable Sitze. Leider wurde es versäumt, Steckdosen in den Besucherreihen zu verlegen, aber das mag auch gewollt gewesen sein. Ich würde zumindest in zwei oder drei Reihen eine Steckdosenkette verbauen, so dass die, die auf Strom und Gerät nicht verzichten wollen auch eine Chance haben. Man muss sich ja auch Notizen machen können.

Es war offensichtlich, dass die SIGINT weniger Teilnehmer angezogen hat als erhofft wurde. Man kann auch festhalten, dass sich die Besucher zum Großteil aus unserer Kernzielgrupppe zusammengesetzt hat. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. Ob das Wochende mit dem Brückentag hilfreich war darf bezweifelt werden. Viele werden eine solche Konstellation nutzen, um einen Kurzurlaub zu machen. Ob es einen großen Unterschied gemacht hätte, ein anderes Wochenende zu nehmen weiß ich aber auch nicht. Vielleicht einen kleinen.

Preise

Die Preise waren auch etwas unklug gestaltet. Ein Eintritt von 60 EUR für alle Tage geht zwar vollkommen in Ordnung, aber der Club hätte auch seinem Satzungszielen nachkommen müssen und Mitgliedern zumindest einen symbolischen Rabatt zugestehen müssen. Schlimmer fand ich allerdings die Tagesregelung: mit 45 EUR pro Tag gibt man die klare Botschaft aus, dass man eigentlich als Tagesgast nicht gern gesehen ist. Aber mit einer tagesorientierten Programmgestaltung führt sich das selbst ad absurdum, da man gerade den kurzfristig entschlossenen oder den, der einfach nicht mehr Zeit freimachen kann zusätzlich bestraft. Das ist nicht in Ordnung und muss sich nächstes Jahr auf jeden Fall ändern.

Vorbereitung

Was auch nicht gestimmt hat war die Bewerbung der Veranstaltung. Natürlich hätte man auch früher mit allem herauskommen können, aber ich denke, dass sich ohnehin viele Leute sehr kurzfristig entscheiden, auf eine solche Veranstaltung zu kommen. Es ist daher eher eine Frage wohin man abstrahlt. Gelegenheit im Web und in mehr oder weniger sozialen Netzwerken wurden sicher genutzt (die Website und das Design der Veranstaltung kriegt auch ein Sternchen, aber dazu weiter untenmehr). Doch das Hauptproblem war, dass die Ausrichtung als solche sich nicht auf die wirklich interessante Zielgruppe gerichtet hat.

Während der Congress sich wie schon erwähnt auf die Community konzentriert sollte die SIGINT bewusst über die Community hinaus abstrahlen. Über die Wege dahin kann trefflich gestritten werden, aber warum z.B. darauf verzichtet wurde, die Mitglieder des CCC anzuschreiben, von denen ein Großteil sicherlich eher als Fördermitglied zu verstehen ist, da passiv und eher aus Wohlwollen in der Organisation eingetragen, erschließt sich mir nicht. Das mag ein Verpeilung gewesen sein, aber sie ist symptomatisch, weil der Blick nach außen nicht geschärft ist. Während es der Club geschafft hat, in den letzten zehn Jahren das zuvor in der Community verspielte Vertrauen zurückzuerlangen und sich zu über die Jahre zu dem Anlaufpunkt für technisch-politisch interessierte, wissensdurstige Menschen zu entwickeln, kommen wir mit dem gemeinen Bürger irgendwie immer noch nicht klar.

Doch hier liegt genau das Potential und die Notwendigkeit. Wir beklagen stets, dass unsere Thesen und Warnungen in der Außenwelt nicht ausreichend wahrgenommen werden. Aber das liegt natürlich nicht an dieser Außenwelt, sondern an uns. Wer verstanden werden will muss deutlich sprechen. Und wer im falschen Dialekt redet verschwäbelt sich in Diskussion die Argumente. Diese fehlende Sprache muss gefunden werden. Dazu gehört bei einer neuen Veranstaltung auch der für uns unkonventionelle Weg: verständliche, ggf. sogar chronisch unhippe aber effektiv kommunizierende Plakate an Orten, die wir vielleicht selten besuchen. Briefe sind auch in Zeiten von E-Mail immer noch eine sinnvolle Einrichtung, wenn man Aufmerksamkeit erzielen will und ein Stück weit muss man auch mal überlegen, wie man an Universitäten und Schulen auch für sich werben kann. Ich vermeide all zu konkrete Beispiel weil ich das auch nicht bis ins Letzte durchdacht habe, but you get the point. Unkonventionelles Auftreten in eigentlich fremden Umgebungen sollte für Hacker eine Pflichtdisziplin sein. Hier kann man z.B. viel von den Yes Men lernen.

Der Name

Der Name der Veranstaltung liegt mir in dem Zusammenhang auch ein wenig schwer im Magen. „SIGINT“ mag für Hacker elegant kodiert sein und ist für unsereins sicherlich ganz spassig. Aber wenn man die Eröffnungsveranstaltung und in der Folge auch in der Berichterstattung über den Event zunächst mit einer Dekodierungsanleitung für diesen Code einleiten muss dann läuft schon mal was falsch. Anstatt Offenheit zu demonstrieren strahlt man ab: lasst Euch auf unsere Sprache ein, wir haben ja eh recht. Das funktioniert leider nicht. Ein anderer Name wäre sicherlich hilfreich gewesen, zumindest weniger disruptiv.

Aber das Kind ist wohl schon in den Brunnen gefallen und wir werden das Ding nicht mehr los. Man kann über die Zeit natürlich auch seine Definition als Marke durchsetzen, aber das dauert eben und erfordert weitere Anstrengungen. Man kann vielleicht schon einiges damit erreichen, dass man dem Kürzel einen starken Untertitel gibt, der nicht wie ein Congressmotto von Jahr zu Jahr wechselt sondern den Anspruch der Veranstaltung deutlich unterstreicht. Das beste, was ich gelesen habe (keine Ahnung, woher das ursprünglich kommt) war: „SIGINT – Politische Aspekte im digitalen Zeitalter“. Das mag als Arbeitstitel schon mal taugen. Aber es ist wichtig, dass man sagt, was man meint und dass man es auf eine Weise sagt, die auch jenseits der eigenen Dialekte verstanden wird.

Fazit

Diese ganze Kritik soll aber nicht davon ablenken, dass ich den ersten Versuch als gelungen ansehe. Mein Respekt gilt allen, die sich eingebracht habe und am Ende einen guten ersten Schuss agegeben haben. Die SIGINT steht in einem starken Kontrast zu anderen Anstrengungen im Chaos-Umfeld (so fand ich z.B. das letzte Easterhegg in Hamburg ziemlich misslungen) und hat den Anspruch einer bundesweiten CCC-Veranstaltung erfüllt. Ich halte es in dem Zusammenhang auch für irrelevant, ob und wieviel Kosten der Event für den Club verursacht haben mag (die SIGINT hat offensichtlich nicht kostendeckend gearbeitet, aber ich kenne keine genauen Zahlen so don’t ask), die Anstrengung war es wert und der Club muss sich auch Experimente leisten. Die SIGINT ist ein solches Experiment und kann und wird besser werden.

„Das nächste Mal“. Das ist der Satz, auf den ich immer warte, wenn eine neue Veranstaltung gestartet wird. Wenn Leute anfangen, noch auf der Veranstaltung davon zu reden, ist klar, dass es weitergehen wird und man bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen. Und das ist das wichtigste. Für den Club wie für die ganze Gesellschaft.

4 Gedanken zu „Rückblick SIGINT 2009

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  2. Schöne Einschätzung, teile ich weitgehend. Ein paar Ergänzungen von mir, eher aus der politischen Ecke als aus der des Veranstalterblicks:

    1) Zielgruppe und Veranstalter

    Wenn die Zielgruppe über die Nerds hinausreichen soll, muss auch außerhalb der CCC-Kreise stärker dafür geworben werden. Klar. Aber m.E. reicht das nicht aus. Die SIGINT hätte eigentlich das Potenzial, /der/ politische Kongress der gesamten Netzfreiheits- und Bürgerrechtsbewegung zu werden. Aber das würde auch heissen, dass andere relevante Player in der Szene auch bei der Vorbereitung sytsematisch einbezogen werden müssen. Ich fand es gut, dass so viele vom Ak Vorrat und Ak Zensur da waren. Ich fand es gut, dass FoeBuD und Humanistische Union einen Büchertisch im Foyer hatten. Warum bindet man diese Gruppen z.B. nicht direkt in die Planung und ins Programming ein? Wenn die HU z.B. Mitveranstalter wäre, würden auch mehr Schlipsträger kommen (die drei Anwälte waren super, aber das reicht nicht aus). Es steht dringend an, einen besseren Diskurs über die Milieugrenzen hinweg zu führen. Sonst haben wir weiterhin nebeneinander die SIGINT für die Nerds und Nerdversteher, HU-Veranstaltungen für die Schlipsträger, und die re:publica für die Web-Zwei-Null-Hipster. Am nächsten dran an der Grenzüberschreitung und dem gegenseitigen Zuhören udn miteinander Reden war übrigens das Politcamp, das aber eben sogar parteienübergreifend vorbereitet worden war – auch ein Zeichen…

    2) Von der Volkshochschule zur Stretegiedebatte

    Mario hat es auf der Abschlusskundgebung ja schön gesagt: Man darf nicht zu große Erwartungen haben, man darf nicht hoffen, dass am Ende eine geteilte Einschätzung der Welt rauskommt. Aber eine ähnliche Wahrnehmung der selben wäre immerhin wünschenswert. Da sind wir m.E. schon recht weit. Vieles von den Vorträgen, die ich gehört habe, war inhaltlich nicht wirklich neu. Was eigentlich ansteht, wenn man den Anspruch einer politischen Veranstaltung ernst nimmt, sind aktionsorientierte Debatten und Selbstreflexion. Damit meine ich nicht ein konkretes Lobbing-Howto von Markus Beckedahl (das ist aber immer gut), sondern eher eine strategische Diskussion über den Stand der Bewegung und die politische Umwelt, in der sie sich bewegt. Fragen gibt es da viele: Welche thematischen Schwerpunkte stehen an? Wie hängt z.B. Datenschutz mit #Zensursula zusammen? Welche Widersprüche gibt es auch noch (man denke an die ambivalente Haltung der Verleger: pro Datenschutz, aber auch pro hartes Urheberrecht)? Welche Aktionsformen und Kampagnenmethoden sind sinnvoll wofür? Brauchen wir dauerhaftere und klarere Kommunikationsstrukturen für die Bewegung? Wie schaffen wir wirklich die 100.000 bei der nächsten Großdemo „Freiheit statt Angst“ am 12.9? Wieso ist es immer noch so sauschwer, Leute für die Entwicklungen auf EU-Ebene langfristig zu interessieren? Was machen wir eigtentlich nach der Bundestagswahl? Wird die Revolution wirklich getwittert werden?

    3) Ergebnis der SIGINT?

    So wie es war, war es schön, lehrreich, anregend, und eine tolle Möglichkeit für neue Kontakte und spannende Diskussionen. Ich würde mir aber noch wünschen, dass am Ende auch ein konkreteres Ergebnis herauskommt. Warum versucht man statt eines viel zu nerdigen NOC-Berichts, einer Aufzählung der vernichteten Mate-Mengen und einer extrem peinlichen Hymnen-Singerei auf der Abschlussveranstaltung nicht eher, ein politisches Fazit zu ziehen? Was haben wir gelernt? Was sind die Themen, die demnächst auf uns zurollen können? Was sind unsere Forderungen? Was nehmen wir uns gemeinsam als Milestones für das kommende Jahr vor? Etc. Man kann ja z.B. für jede Session zur Auflage machen, dass die unmittelbar im Anschluss ein paar Zeilen dazu schreiben, die dann in ein gemeinsames Abschlussdokument einfließen. Das geht auch über Rapporteure oder andere Strukturen. Ich vermute, dass solche Ergebnisse, auch wenn es nach Oldschool-Parteitagen klingt, eine längere Wirkung haben dürften als die bald wieder vergessenen Berichte in den Medien, in Blogs oder per Twitter. Wenn das zuviel verlangt ist, dann sollte es wenigstens eine politische Diskussionsrunde als Abschluss geben, wo ein paar fitte Leute gemeinsam mit dem Publikum herausarbeiten, was als Big Picture hängen bleibt von der Konferenz.

    5) Ja, die eigene Nase…

    Beim Aufschreiben ist mir nochmal klar geworden: Es gibt nichts gutes, außer man tut es. Versteht das also als meine Bewerbung für die Aufnahme ins Vorbereitungsteam der SIGINT10. Gib das gerne weiter, Tim.

  3. Von „gesellschaftlicher“ Ausrichtung kann ja wohl überhaupt keine Rede sein: Elitärer Name, elitärer Preis, elitäres Publikum.Face the facts. Das wird auch 2010 nicht besser.

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