Eine Frage des Vertrauens

Ich bin nicht ganz unglücklich darüber, wie das Thema „Vertrauen“ auf dem 23C3 aufgegriffen wurde. In vielen Vorträgen, Interviews und Gangdiskussionen kam es zu Tage. Allerdings in stets abgewandelter Form. Das war zu erwarten und auch beabsichtigt, denn natürlich lässt ein so einfacher Satz wie „Wem kannst Du vertrauen?“ Raum für Spekulation und Interpretation. So soll es sein.

Ein wenig haarig wurde es allerdings schon bei der Opening Keynote, denn der Ansatz, den ich in den Raum geworfen habe entsprach nun wirklich nicht dem, den John Perry Barlow aufgriff und vertrat. Seine Bemerkungen, dass er Teilen der Hacker Community nicht vertraue und mehr Engagement gegen die erwarte, die nicht zu einem geselligen Beisammensein im Cyberspace beitragen kann ich verstehen, auch wenn er natürlich ausgerechnet bei dem Congress-Publikum mit solchen Bemerkungen auf wenig Gegenliebe traf, da das Selbstverständnis (zu recht) ein anderes ist. Trotzdem war es sicherlich auch nicht schlecht, nicht unbedingt nur Marmelade ums Maul zu bekommen und etwas Kontroverse von Beginn an tut dem Congress gut. So wie im letzten Jahr die „We Lost The War“ Diskussion die Leute auf Trab hielt war das Hin und Her um Barlows Kommentare ständig wiederzufinden. Am Ende dürften alle dazugelernt haben: das Publikum als auch Barlow selbst, der sicherlich überrascht war, soviel Rücklauf auf seine Bemerkungen zu erhalten.

Ich für meinen Teil habe versucht, andere Aspekte zu betonen. Mir ging es um ein positives Bild des Vertrauens als Kraft in der Gesellschaft. Der gesellschaftliche Zusammenhalt basiert auf Vertrauen und überall wo Vertrauen durch Kontrolle ersetzt wird („Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“), entsteht Enttäuschung und Misstrauen, dass am Ende genau das Fehlverhalten erzeugt, was eigentlich verhindert werden sollte. Beim Terrorismus lässt sich dieses Schema bestens beobachten.

Daher meine Kernthese: Vertrauen schafft Sicherheit. Die Rufe unserer Politiker danach Flugzeuge abzuschiessen, die Heimcomputer aus der Ferne auf Verdächtiges auszulutschen und durch die Vorratsdatenspeicherung als grundsätzlich verdächtig darzustellen verletzt nicht nur unser Grundgesetz, es vernichtet Vertrauen. Und es vernichtet vor allem das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Führer, was am Ende vielleicht das Schlimmste ist, was uns passieren kann, weil selbst ein gut meinender und ggf. sogar gut handelnder Politiker am Ende nicht mehr mit der nötigen Autorität handeln kann, die ihm lieb ist.

„Vertrauen erfordert Offenheit und Diskretion“ war eine andere These. Diese geht sehr mit der CCC-spezifischen Erweiterung der Hackerethik („Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen“) und zeigt aber auch die Schwierigkeit in der Abwägung. Wo endet die Offenheit, wo endet die Diskretion? Dies stets abzuwägen ist unser Auftrag. Aber wichtig ist, das Vertrauen als Basisprinzip des Miteinander voranzustellen. Gegenseitiges Vertrauen schafft gegenseitigen Frieden. Und das ist die Sicherheit, die wir brauchen. Ich denke, wir sollten uns mit diesem Ansatz Scharfmachern vor allem aus der CSU/CDU und FDP (siehe NRW-Entscheidung zur Online-Durchsuchung) entgegensetzen.

3 Gedanken zu „Eine Frage des Vertrauens

  1. das größte manko an der keynote war eigentlich nur mr. barlows vortragsstil, in meinem enorm grenzwertigen übermüdungszustand hätte ich etwas schnelles, hartes gebraucht, keine gemütlich dahinplätschernde erzählstunde :)

  2. „Und es vernichtet vor allem das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Führer, was am Ende vielleicht das Schlimmste ist…“

    Ist es nicht absolut notwendig, sämtlichen gesellschaftlichen Vermittlungsinstanzen zu mißtrauen, gerade wenn man sie für wichtig hält? War es nicht immer gerade die bedenkenlose Delegation von Macht im Sinne von „Die da oben werden schon wissen, was sie tun“, die die größten politischen Entgleisungen hervorgebracht hat?

    Grundloses Vertrauen ist genauso doof wie Default-Kontrolle. Wie wäre es mit wohldosiertem Mißtrauen?

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