Brüsselmomente

Ich bin jetzt in Brüssel auf der FOSDEM angekommen und auf den ersten Blick sieht es aus wie vor zwei Jahren, als ich das erste und bislang letzte Mal auf dieser Veranstaltung war. Die FOSDEM ist eine Konferenz von und für Programmierer. Hier geht es ausschließlich um Entwicklung und – wie das F im Namen schon andeutet – um freie Software.

Ich bin nicht besonders gut vorbereitet und habe mir das Programm noch nicht sehr genau angeschaut. Aber es ist voll von TechTalks. Die Qualität variiert, aber das Gute ist, dass hier die Projekte selbst vertreten sind. Unmengen an Codern, Hackern und langen Haaren.

Manches aber nicht alles erinnert an den Congress. Bei der Eröffnugsveranstaltung sehe ich schon zwei Mateflaschen herumstehen, aber verkauft wird nur Bier (dafür aber zehn Sorten). Der Frauenanteil ist ca. um den Faktor 10 bis 20 niedriger als auf dem 23C3. Das WLAN hat in jedem Raum einen eigene Netzwerknamen (SSID) und funktioniert nur in manchen. Im Hauptsaal („Janson“), der die Eröffnungsveranstaltung beherbergt leider noch nicht.

Aber das ist keine Kritik, mehr eine Situationsbeschreibung. Mir imponiert die FOSDEM, weil sie seit vielen Jahren Beständigkeit an den Tag legt, kostenlos für alle Teilnehmer ist und sich nur aus Spenden finanziert. Alles läuft, wie man im Chaos-Slang sagen würde, auf Engelbasis. Die Spenden kommen teilweise auch von Firmen, zumindest hat hier gerade Google einen Stand aufgebaut und ihre Rekrutierungsschergen in Stellung gebracht. Die Google-Jojos erfreuen sich schon vor Veranstaltungsbeginn größter Beliebtheit. Nerds sind manchmal so einfach glücklich zu machen. Und der Gugel weiß das natürlich. Scary.

Brüssel selbst kam mir wieder so kalt und verstört vor wie seit eh und je. Natürlich hilft es nicht, morgens um 6:15 Uhr mit dem Nachtzug aufzuschlagen, aber so eine warme Wohligkeit wollte sich hier für mich noch nie einstellen. Allerdings ist das Gebäck wirklich große Klasse in dieser Stadt und ich hoffe, dass ich es noch zu diesem großartigen Bäcker schaffe, der hier gleich um die Ecke ein paar der weltbesten Teilchen fabriziert. Placemarks auf Anfrage :)

Für die Nacht habe ich mich mal ganz dekadent in einem Hotel eingebucht. Ich bin ganz stolz auf den Buchungsvorgang, weil ich das Hotel diese Mal via Google Earth gefunden habe. Veranstaltungslocation aufgesucht, den Google-Earth-Network-Link von Booking.com eingeschaltet und alle umliegenden Hotels angeklickt, das billigste genommen und mit zwei drei Klicks gleihc gebucht. Schöne neue Welt. Mal sehen, ob die Rezeption auch was von meiner Buchung weiß, wenn ich aufschlage.

Die Veranstaltung habe ich in den frühen Morgenstunden mit Camp-Postern ausgestattet und beim Flyerverteilen komme ich mir schon vor wie ein Kamelle verteilender Narr aus dem schönen Köln. Warum macht das eigentlich nicht gleich der C4? Mal sehen. Zumindest Pylon hatte sich ja angekündigt, der kann dann ja übernehmen :)

Naja. Ein paar Stunden später erreichte mich dann die tolle Nachricht, dass jemand vom FOSDEM-Team alle Camp-Poster „entfernt“ hatte (im Sinne von „abgerissen“). Der Organisator der FOSDEM, den ich vorher explizit um Erlaubnis gebeten hatte und mir diese auch erteilte, wusste nachher von nichts und sah sich auch nicht in der Lage, den Schuldigen zu ermitteln und die Überreste hervorzuzaubern. Immerhin war es ihm peinlich. Ich könnte platzen. Da setzen sie unsere Software ein, um ihre Konferenz zu organisieren, und dann behandeln sie das Camp wie „kommerzielle Veranstaltung“. Und ein paar Meter verteilt der Gugel Kugelschreiber. Ich glaub es hackt.

Mit der Informationsvermittlung innerhalb der Veranstalter-Organisation scheint es nicht so gut gestellt zu sein. Anderen Teilnehmern wurde dann mitgeteilt, es sei ja grundsätzlich nicht erlaubt, Flyer von anderen Veranstaltungen zu verteilen. Allerdings dürfe man sie schon auf seinem Projekttisch ausliegen haben. Verrückte Welt. Jetzt liegen alle Flyer auf dem OpenBSD-Tisch. Ich glaube, hier weiss die linke Hand nicht was die rechte macht.

Echt toll. Da merke ich wieder, was für ein Kleinod der Congress mit seinen wohlorganisierten Chaosengeln doch ist. Meine wirklich gute Laune von vorhin ist jetzt vorübergehend auf dem Tiefpunkt. Wer mich kennt, weiß wohl, was ich jetzt für eine Fresse ziehe. Die will eigentlich keiner sehen. Aber das vergeht. Mir wurde jetzt zugesagt, das Camp in einer Veranstaltungspause zu featuren und ich werde dann wohl auch gleich noch die Camp-Doku hinterherwerfen. Selber schuld.

Nachtrag: Die Orga hat im Nachhinein recht peinlich berührt auf den Vorfall reagiert und die drei Poster, die ich noch hatte, dann auch ohne Probleme hängen lassen. Insgesamt kam man durch den Vorfall deutlich besser ins Gespräch :)

Heise berichtet von 3000 Teilnehmern auf der Veranstaltung. Ähnliches wurde auch schon vor zwei Jahren berichtet und ich habe die Zahl damals schon nicht geglaubt. Der Gebäudekomplex ist meiner Meinung nach nicht gross genug, aber es haben schon 2000 sein können. Da die Räume sehr verwinkelt und der Eintritt frei ist, lässt sich das aber auch nicht mit Sicherheit sagen. Tatsache ist, dass hier 99% Entwickler sind. Und das ist sicherlich die höchste Dichte auf einer Konferenz in Europa.

Aber nächstes Jahr ist einfach mal ne neue Location fällig. Der Ort ist wirklich grausam. Kalt, eng, unübersichtlich, potthässlich und furchtbar ungemütlich. Geht gar nicht.

4 Gedanken zu „Brüsselmomente

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